Teresa
Ellinger



ERINNERUNG UND WAHRNEHMUNG: VOM SINN DES REISENS

Bruchstücke aus verschiedensten Quellen finden in „Danke für die Blumen“ zusammen. Das A5-formatige Buch vereint Versatzstücke des Reisens und ordnet die Texte und Bilder nacheinander, übereinander und miteinander an. Zu sehen sind zum einem zahlreiche Abbildungen: graue, nebelige Landschaftsfotografien, Bilder aus Zeitschriften, die Menschen im Urlaub abbilden und schwarz-weiß Fotografien, die teils geschwärzt sind. Die Texte werden aus Zeitschriften-Anzeigen und -auschnitten, einzelnen Seiten aus einer Apodemik und eigenen kurzen Textzeilen entworfen. Insgesamt entwirft die Künstlerin damit eine Collage, welche die Wahrnehmung des Reisenden, die Reaktion auf das Fremde und auf etwas Neues in den Vordergrund stellt. Blättert man durch die Seiten, spürt und sieht man zudem die unterschiedlichen Materialien, die den Originalzustand der Quellen wiedergeben.

Mit dem Diskurs zur Erschließung von Fremden und zugleich Neuen werden verschiedene Ebenen der Betrachtung geöffnet. Zum ersten fällt hier der historische Rückblick auf. Die Apodemik als Form des Reiseberichts wurde schon in der frühen Neuzeit angewendet und zog sich bis in die Moderne fort. Die literarische Gattung diente als eine Anleitung zum Verhalten auf Reisen sowie für Reflexionen zum Sinn des Erkundens. Während das Reisen historisch hier als humanistische und reflektierende Praxis, die eine lehrhaften Part innehaben sollte, beschrieben wird, steht dem die heutige Form des Reisens gegenüber. Zuvorderst ist es zuallererst Urlaub, Entspannung und Vergnügen – meist durch einen strikt ausgearbeiteten Reiseplan organisiert und in Magazinen angeboten. Es ist aber auch Finden, Sammeln und Erfahren.

Dies leitet zur zweiten Ebene über, welche bebildert und beschreibt, wie mit dem Äußeren umgegangen wird und wie Orte wahrgenommen werden. Wegreisen bedeutet für den*die Erholung suchende*n Europäer*in vor allem eins: Sommer, Sonne, Badehose. Die geeignetste Form stellt dabei seit Jahren der Cluburlaub dar, alles ist durchgeplant, All-Inklusive und das Hotel strandnah. Was dem Reiseziel nicht fehlen darf ist bestes Strandwetter, Palmen und Freizeitangebot. „Hauptsache in den Süden“ lautet das Motto. Interesse für Länder, Kulturen oder Austausch steht bei dieser Form von Urlaub nicht im Vordergrund. Ob das Resort nun in Ägypten, Brasilien oder Thailand ist, mehr als den Weg vom Flughafen in das Hotel sieht der Urlaubsgast vom Land meist nicht. Diesen Bildern begegnet das Werk mit Einschüben der Künstlerin: „Fremd“ und „Alles was ich euch zeige, bin vielmehr ich, als irgendetwas anderes.“ steht am unteren Teil der Seite gegenüber den Klischee-Bildern. Welche Perspektive die Worte einnehmen, kann der*die Betrachtende selbst entscheiden, die Fremde des Ortes oder die Fremde des Touristen dem zu Hause auf Zeit gegenüber. Zudem finden sich auch sensiblere Beobachtungen und Auseinandersetzungen mit besuchten Orten in den nebligen Landschaftsfotografien oder in Mitbringseln wie dem abgebildeten Herbarium. Doch auch hier geschieht die Auseinandersetzung mit dem Bild des beobachtenden und konsumierenden Reisenden, wenn es heißt: „die Fremde spricht trotzdem spreche ich für sie über sie“.

Diese kritische Beobachtung öffnet letztere Ebene: Wie ordnet sich der Reisende selbst in sein Umfeld ein? Welche Sinnhaftigkeit bezwecken wir mit der Flucht aus dem Alltag? Diese Fragen stellen sich beim durchblättern des Büchleins und leiten eine Selbstreflexion ein. Der*die Betrachtende reflektiert das eigene Reiseverhalten, jene*r kann vieles sein: Sammler*in, Fotograf*in, Clubtourist*in, Wanderer*in oder auch Abenteuerwütige*r. Aber irgendwie immer suchend nach dem Neuen und Weiten.

von Jenny Mehlhorn – Kunsthistorikerin, Dresden.


Danke für die Blumen, 2019

Book: screw binding, various papers, scans
DIN A5

Edited excerpts from:
selfbound book. DIN A5.
prints, scans, fotography on various paper.
_Staden, Hans: Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden/ Nacketen/ Grimmigen Menschfresser Leuthen. Marburg, 1557
_Posselt, Franz: Apodemik oder Die Kunst zu reisen. Ein systematischer Versuch zum Gebrauch junger Reisenden aus den gebildeten Ständen überhaupt und angehender Gelehrten und Künstler insbesondere. Leipzig, 1795.
_Merian, Maria Sibylla; Schnack, Friedrich: Das kleine Buch der Tropenwunder. Insel Verlag: Leipzig, 1935.
_GEO Saison: GEO Saison Ratgeber: Urlaub im Club. Gruner&Jahr: Hamburg, 7/8/1996.
_GEO Saison: GEO Saison: Kuba - Die schönsten Plätze an der Sonne. Gruner&Jahr: Hamburg, 10/1997.
MEMORY AND PERCEPTION: THE MEANING OF TRAVEL

Fragments from a wide variety of sources come together in „Danke für die Blumen“ (translated: Thank you for the flowers). The A5-format book combines set pieces of travel and arranges the texts and images one after the other, on top of each other and with each other. On display, for one, are numerous illustrations: gray, foggy landscape photographs, images from magazines depicting people on vacation, and black-and-white photographs, some of which are blacked out. The texts are drafted from magazine ads and clippings, individual pages from an apodemic, and the artist's own short lines of text. Altogether, the artist thus creates a collage that foregrounds the perception of the traveler, the reaction to the foreign and to something new. Flipping through the pages, one also feels and sees the different materials that reflect the original state of the sources.

With the discourse of opening up what is foreign and at the same time new, different levels of contemplation are opened up. First, the historical retrospective is striking here. The apodemic as a form of travelogue was already used in the early modern period and continued into the modern era. The literary genre served as a guide to travel behavior as well as reflections on the meaning of exploration. While historically travel is described here as a humanistic and reflective practice that should have an instructive part, this is contrasted with the contemporary form of travel. First and foremost, it is vacation, relaxation and pleasure - usually organized by a strictly worked out travel plan and offered in magazines. But it is also finding, collecting and experiencing.

This leads to the second level, which illustrates and describes how the outside is dealt with and how places are perceived. For the European seeking relaxation, traveling away means one thing above all: summer, sun, swimming trunks. The most suitable form has been the club vacation for years, everything is planned, all-inclusive and the hotel is close to the beach. What the destination must not lack is the best beach weather, palm trees and leisure activities. "The main thing is to go south" is the motto. Interest for countries, cultures or exchange does not stand with this form of vacation in the foreground. Whether the resort is in Egypt, Brazil or Thailand, the vacationer usually doesn't see more of the country than the way from the airport to the hotel. The work counters these images with inserts by the artist: "Foreign" and "Everything I show you is rather me than anything else" are written at the bottom of the page opposite the cliché images. Which perspective the words take, the viewer can decide for himself, the strangeness of the place or the strangeness of the tourist to the home on time. In addition, more sensitive observations and confrontations with visited places can be found in the misty landscape photographs or in souvenirs such as the pictured herbarium. But here, too, the confrontation with the image of the observing and consuming traveler occurs when it is said: "the stranger speaks nevertheless I speak for her about her".

This critical observation opens up the latter level: How does the traveler place himself in his environment? What sense of meaning do we aim for by escaping from everyday life? These questions arise while leafing through the booklet and initiate a self-reflection. The viewer reflects on his or her own travel behavior, which can be many things: collector, photographer, club tourist, hiker or adventure-seeker. But somehow always searching for the new and the vast.

by Jenny Mehlhorn - art historian, Dresden.




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